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Thema: Chihuahua 19

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Cheeseburger in Paradise Avatar von Chris
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    Weiter gehts ... .

    Schneller als Montezuma erlaubt

    Santa Elena ist wie San Carlos auch in den 1930er Jahren umbenannt worden, um die kirchlichen Namen zu tilgen und durch verdiente Politiker und Freiheitskämpfer zu ersetzen. Santa Elena ist offiziell in Benito Juárez umbenannt worden – wird aber auch heute noch von jedem Santa Elena genannt.

    Die Stadt war früher auch an den US-amerikanischen Wirtschaftsraum gekoppelt und es gab sogar eine Brücke oder Furt von Castolon über den Rio Grande. Das ist aber schon eine lange Zeit her – ich konnte leider nicht richtig rauskriegen seit wann.

    Benito Juárez hat auf jeden Fall schon mal bessere Zeiten gesehen und meine Vorstellung von einer Cantina mit erfrischener Mahlzeit im Schatten und einem kühlen Getränk schmolz nach einer sehr kurzen Ortsdurchfahrt dahin ...:



    Hier im Bild das Stadtzentrum mit der Hauptstrasse. Wenn nicht schon ganze Büsche aus den Bürgersteigen wuchsen wären sie hochgeklappt gewesen ... der Ort zeigte zwar dass er nicht unbewohnt war, aber wirkte wie ausgestorben.

    Interesssanterweise waren wir hier nur etwa einen Kilometer vom Castolon General Store entfernt wo die leeren Getränkeregale möglicherweise schon wieder befüllt worden sind. So ein Gatorate käme jetzt genau richtig ... .

    “Wir versuchen bis zum Santa Elena Canyon vorzufahren, das ist nicht mehr weit ...“ so der weitere Plan. Der Einschnitt des Canyons war deutlich zu erkennen und die Pisten gingen auch ungefähr in die Richtung. Irgendwann war dann das Ende der Pisten und dort Zäune gezogen. Von hier dann nur weiter zu Fuss oder wir hätten einen Zaun nieder nehmen müssen – würde sich aber für Gäste im Land nicht gehören. Also machen wir eine Rast an einem Verschlag neben einer Ziegenweide:




    Mein Meilenzähler zeigte jetzt übrigens genau 75 Meilen an – genau die Hälfte dessen was ich als Faustregel für eine Tankfüllung empfinde ... . Da dürfen wir jetzt aber keine grossen Umwege mehr machen ... .

    Wer hat eigentlich das ganze Wasser ...?

    Au Backe – das hatte Jason, unser Mann der sich gleich zu Anfang am Knie verletzt hatte und umgedreht ist. Er hatte dabei auch das Wasser wieder zurück zum Casa genommen ... ! Der Pickup war vorher schon verschwunden und mein Camelbak war schon lange leer. Aber ich hatte noch die eine Flasche im Rucksack, die ich noch kurz vor Abfahrt gegriffen hatte ... .

    Bestandsaufnahme:

    40 Grad im Schatten - wir sind 14 Personen, es sind noch mindestens 4 bis 5 Stunden zurück zum Casa – und wir haben alle zusammen 3 (in Worten drei) 500 ml Flaschen Wasser, 12 Dosen Bier und - genau - noch ungefähr 5 ½ Liter Tequila in dem Rotopax-Kanister ... .

    Munter wurden das Dosenbier geköpft und der Tequila ausgeschenkt – man muss ja hydriert bleiben ... ! Ich nippte lieber an meinem verbleibenen Wasser ... .

    Ein anderes Problem - welches die Gruppe als sehr viel dringlicher empfand - war dass es mittlerweile schon viertel vor drei war und Gloria für 18:00 Uhr das Abendessen anvisieren wird.

    - “der Rückweg ist immer schneller“, war eine Formel mit der man versuchte dieses Problem zu lösen.
    - “wir fahren in zwei Gruppen zurück“ - eine schnelle, die ausrichten wird dass das Abendessen nach hinten verschoben wird – und eine langsame - für diejenigen die nicht in der schnellen Gruppe sind ... .

    Ich konnte mich nicht so richtig entscheiden ... die langsamen waren wirklich langsam und die schnellen waren wirklich schnell. Meine Strategie war daher am Ende der schnellen Gruppe mitzufahren – wenn das nicht klappt kann ich immer noch zum Anfang der langsamen Gruppe zurück fallen.

    Kurz vor Abfahrt kam noch ein Hinweis dass man zwischen Santa Elena und hier eine Seitenspur gesehen hat. Das sei bestimmt eine Abkürzung um auf den Hauptweg zurück zu kommen. Gute Idee – da können wir vielleicht eine halbe Meile Distanz rauskürzen - der Wasser- und der Benzin-Haushalt sind für jedes Entgegenkommen dankbar ... .

    Die schnelle Gruppe war wirklich schnell und nach nur kurzer Zeit nur noch eine Staubfahne weiter vorne. Der Abzweig unterwegs entpuppte sich allerdings als ein Abzweig mit vielen Abzweigen ... welchen nehmen? Wäre ich doch nur denselben Weg wie bei der Hinfahrt gefahren ... .

    Aber zurückfahren gibt es bekanntermassen bei Männern nicht! Die grobe Richtung passte, das konnte ich am Sonnenstand und den Bergketten erkennen - sowie an der Staubfahne weiter vorne. Theoretisch müsste auch eine weiter hinten sein ... .

    Die Landschaft ist monoton und Schotterpisten sehen alle gleich aus. Ich habe eigentlich einen guten Orientierungssinn und kann jede Strecke, die ich hinfahre in der Regel auch wieder zurückfahren. Und überhaupt wird es hier sicher nur einen Weg geben ...!?




    Die vordere Staubfahne war nun nicht mehr zu sehen und nach hinten schaut man nicht. Plötzlich lag da ein Agaven-Stengel quer über dem Weg ... .! Kein Hindernis, aber ich konnte mich nicht erinnern dass da einer auf dem Hinweg gelegen hat!
    Da gehen einem die Gedanken durch den Kopf ... . Bin ich durch die Abkürzung auf einen anderen Weg geraten der möglicherweise parallel zum Hinweg läuft? Ist der Agaven-Stengel erst am Nachmittag umgefallen nachdem wir da durch waren? Soll ich besser wieder zurück nach Santa Elena und den Faden neu aufnehmen? Ich habe ja noch die Reserve im Tank – gute 40 Meilen, wenn alles normal läuft ... .Wie sorgfältig hat der Pemex Typ da gestern den Tank bis oben befüllt ...?? Wird das Wasser reichen? Wer ist diese schwedische Familie? Man hat ja keine Vorstellung was da für Gedanken durch den Kopf gehen können.

    Auf einer Anhöhe halte ich mal an, mache den Motor aus und nehme den Helm ab – Horchposten ... !

    Nix zu hören – nix zu sehen ... keine Staubwolke vorne – keine Staubwolke hinten ... . Nach einiger Zeit dann ein Knattern ... da kam mein Kollege mit der Honda um die Ecke – ich bin auf dem richtigen Weg ...!

    Na gut –fast! Er ist sich nämlich auch nicht sicher ob es der richtige Weg ist und hat auch schon eine Weile niemanden mehr gesehen. Wir fuhren erstmal zu zweit weiter ... als ich gerade überlegte ob es theoretisch überhaupt möglich ist dass hier draussen zwei verschiedene Wege mit derselben Ausrichtung geben kann kam auf einmal das markante Stück Betonpiste in Sicht (vgl. letztes Kapitel) ! Hurra - wir sind auf der richtigen Strecke!

    Das Benzin sollte reichen – aber da ist noch der Durst. Der Vorrat in meiner Wasserflasche ging bedenklich zur Neige und natürlich musste ich noch die verbleibenen, mittlerweile gut temperierten Schlücke mit meinem neuen Mitstreiter teilen, der kein Wasser mehr hatte. Die Pulle war dann leer noch bevor wir die Hälfte der Strecke hinter uns hatten. Die Sonne brannte immer noch gut auf den Pelz ... die Temperatur sicher noch +/- 40 Grad.

    Moment mal – ich habs ...!






    Amerikaner können nie die Schweiz und Schweden unterscheiden ... ja sicher ...! Das kann nur die Familie mit der schweizer Austauschschülerin gewesen sein. Die kannten meinen Namen und die Tatsache dass ich ein BMW Motorrad habe. Und Schweiz und Schweden ist in USA ungefähr dasselbe ... bei so vielen gemeinsamen Anfangsbuchstaben ... .

    Liebe Schweizer: bitte nicht auf den Schlips getreten fühlen ... als Trost: Oesterreich und Australien können viele Amerikaner auch nicht auseinanderhalten ...! Geographie in Englisch ist schwer ... .

    Welche gedankliche Last da von einem fällt. Nun kann man sich wieder aufs Tagesgeschäft konzentrieren: wo gibts Wasser?!

    Als wir dann wieder an dem blauen Haus vorbei kamen habe ich angehalten und wollte klopfen. Aber unser Wegweiser vom Morgen stand schon draussen vor der Tür. Ob er Wasser für uns hat. – “Agua“ ... ich hatte noch vorsichtshalber eine 5 Dollar Note hingehalten, aber er schien zu verstehen und verschwand im Haus.

    Man mag mir – zu Recht - Naivität vorwerfen, aber ich hatte irgendwie erwartet dass er mit ein paar eisgekühlten Flaschen verpacktem Wasser zurück kommt – vielleicht sogar einem prickelnden, eiskalten Topo Chico Mineralwasser. Mit geschlossenen Augen konnte ich schon sehen, wie die kalte Flasche in der Hitze auf der Aussenseite etwas kondensierte und einige Tropfen schwitzend an dem schlanken Flaschenkörper hinab perlten ... alles zum Greifen nah ... das sanfte Zischen wenn der Öffner den Kronkorken abhebelt - ich konnte es in Gedanken schon hören ... !
    Aber nein - das hatte ich mal wieder völlig falsch eingeschätzt; ... er kam zurück mit was ungefähr aussah wie ein 30 Jahre alter abgewetzter Zahnputzbecher und einer ebenso lädierten Plastikkaraffe voll Wasser unbekannter Herkunft.

    Der Durst war gross und das Wasser zimmerwarm und ich nahm den ersten Becher in einem Zug. Den zweiten stürzte ich auch schnell hinrunter ...
    ... Moment mal – was wird da nochmal immer über das Trinkwasser in Mexico gesagt ... ?!

    Mein Mitfahrer guckte mich entsetzt an und verweigerte jeglichen Schluck als ich ihm den Becher reichte! Dabei wissen wir gar nicht genau woher dieses Wasser kam. Man darf da auch nicht zu übervorsichtig sein - vermutlich hat es eine Pumpe hinter dem blauen Haus?

    Egal – die Schlücke waren drin und lassen sich auf einfache Weise nicht rückgängig machen. Die anderen Weisen rueckten nun in den Mittelpunkt der Überlegungen: wenn denn Montezumas Rache käme, dann ist es auf jeden Fall besser es beginnt zuhause im Casa statt hier draussen auf dem Mopped. Es muss jetzt schnell gehen ... !
    Es waren noch gute 30 Kilometer ... auf geht’s ... ohne Verzug und mit Staubfahne zurück zum Casa bevor sich Magen und mehr bemerkbar machen ... .

    Zurück am Casa stellte sich dann raus dass es dem Magen gut ging, Aufregung umsonst - die Familie im blauen Haus trinkt das Wasser ja auch. Zur Sicherheit borgte ich mir aber ein Schnappsglas, um schnell noch zwei doppelte Sotols hinterherzukippen ... . Sotol ist der kleine Cousin vom Tequila und das Staatsgetränk beziehungsweise das Provinzgetränk Chihuahuas.




    Der weitere Abend verlief ruhig - ich fuhr nicht mehr mit zur örtlichen Kneipe – zum einen weil ich schon kräftig den “Flüssigkeitshaushalt“ nachreguliert hatte und zum anderen weil an diesem Abend dort ein Roosterfight stattfand - ein traditionelles, aber mittlerweile in den meisten mexikanischen Provinzen verbotenes Spektakel. Dem wollte ich nicht beiwohnen – ist nix für mich. Ein paar andere blieben aus dem gleichen Grund auch zurück und wir begnügten uns mit Haus-Margaritas und Geschichten aus aller Welt.

    Die ungefähre Strecke:
    https://kurv.gr/uHU2Q
    (die letzten 10 Meilen konnte kurviger nicht darstellen)

    .

  2. #2
    FC-Aarau-Fan Avatar von man-of-aran
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    Zitat Zitat von Chris Beitrag anzeigen
    Der weitere Abend verlief ruhig - ich fuhr nicht mehr mit zur örtlichen Kneipe – zum einen weil ich schon kräftig den “Flüssigkeitshaushalt“ nachreguliert hatte und zum anderen weil an diesem Abend dort ein Roosterfight stattfand - ein traditionelles, aber mittlerweile in den meisten mexikanischen Provinzen verbotenes Spektakel. Dem wollte ich nicht beiwohnen – ist nix für mich. Ein paar andere blieben aus dem gleichen Grund auch zurück und wir begnügten uns mit Haus-Margaritas und Geschichten aus aller Welt.
    .
    Ob unsere Kuhkämpfe im Wallis besser sind? Ich glaube schon.

    Mach dir keinen Kopf, das Schweden-Schweiz-Problem ist mir bestens bekannt und habe ich am Lake Tahoe auch schon erlebt. Austria und Australia war mir nicht bekannt - Australia ist ja immerhin ein Kontinent...

    Wieviel Benzin hattest du am Schluss noch im Tank?



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