... der Einleitung schildere ich hier für diejenigen, die sich den Reisebericht nicht in Gänze antun wollen:

Donnerstag
7.00 Uhr, die Zeit rennt, aber Frühstück muss sein! Und das ist für 9,95 USD mit Omelett und Eiern und allem drum und dran wirklich super.

Wir machen uns das dritte Mal auf den Weg in den Water Canyon auf den Canaan Mountain. Als wir das leichte Gefälle nach Hurricane unterwegs sind wird klar, dass auf das Wetter heute nicht Verlass ist. In den Bergen sieht es gar nicht gut aus. Aber plötzlich haben wir ein ganz anderes Problem. Das umfassende Warnsystem des Yukon meldet Verluste. Dem Reifen vorne links geht die Luft aus. So ein Scheiß! Rechts ran, - der Halt bringt Gewissheit. Eine Schraube hat sich in den Pneu gebohrt. Also mit letztem Druck nach Hurricane und bereits an der Ortseinfahrt die Rettung: Beard Hurricane Tire. Sir, I need your help! Nach einer halben Stunde und bezahlten 17 Dollar war alles wieder gut, - weiter geht's.

Um 9 Uhr stehen wir nach 46 Meilen endlich am Trailhead, das Wetter sieht mittlerweile wieder besser aus, und schultern unsere Rucksäcke. Zwei Tour-Autos sind auch da und wir befürchten schon das Schlimmste. Hoffentlich hat die zunehmende Popularität des Spots nicht dazu geführt, dass irgendwann mal Busse vorfahren. Aber dann müssten sie schon die Water Canyon Road teeren, was nicht zu erwarten ist, denn die Wanderung durch den Canyon ist nicht für Weicheier, also Busfahrer, geeignet. Es waren dann nur Kletterer, die es hier schon immer gab, - nette Bergkammeraden. Die haben wir auch getroffen, als uns der sandige Anlauf die erste Luft nimmt. Anett und Christian, Servus Ihr zwei, how is it? Sie haben den Roundtrip Water Canyon - White Domes - Squirrel Creek geplant. Ein netter Auftakt.

Wir sputen uns, denn es soll heute weiter als zu den White Domes gehen. Viel weiter, denn der Berg verspricht schöne Lokationen und Überraschungen. Und nachdem im Netz nicht viel über den Summit des Canaan Mountain zu lesen ist, werden wir ziemliches Neuland betreten.

Als wir in die Ostwand einsteigen ist das Wetter herrlich und die Gegend wird wie gewohnt immer schöner, je weiter wir nach oben kommen. Nach eineinviertel Stunden, 2,1 Meilen, sitzen wir auf dem Brotzeitfelsen oberhalb der Wand, genießen leider nicht den Ausblick, denn wir müssen zusehen, wie die Wolken wieder zunehmen und dunkler werden. Der obere Teil des Water Canyon ist nun auch durchquert und der Fels löst den Sand ab. Die White Domes spitzen hoch oben in strahlendem Weiß. Ein Wiesel ist ein schnelles Tier, aber nichts im Vergleich zu diesem Gewitter. Völlig unvermittelt grollt es durch das Hochtal, der Donner fährt uns in die Glieder. Natürlich fängt es auch zu regnen an. Regenjacke raus, Rucksackschutz aufgezogen, ein paar Blitze abgewartet und dann geht es über den Fels zu den White Domes, die wir nach gut zwei Stunden erreichen.





Der Begriff Vernunft bezeichnet in seiner modernen Verwendung die Fähigkeit des menschlichen Denkens, aus den im Verstand durch Beobachtung und Erfahrung erfassten Sachverhalten universelle Zusammenhänge der Wirklichkeit durch Schlussfolgerung herzustellen, deren Bedeutung zu erkennen, Regeln und Prinzipien aufzustellen und danach zu handeln. Vernünftiges Handeln wäre jetzt umzukehren, ins Tal hinabzusteigen und sich in der Erinnerung zu freuen, welche einzigartige Stimmung, welche tollen Bilder und dramatischen Naturschauspiele sich hier oben abgespielt haben. Theoretischer Quatsch! Mein Fotoapparat will nicht zurück, denn er will versuchen, diese wunderbare Natur in dieser Situation festzuhalten. Die White Domes erstrahlen heute in Silber, der Regen hat die Grundfarbe der Felsformation verstärkt. Das umgebende Rot hat sich verdunkelt und die schwarzen Wolken im Hintergrund bieten einen noch nicht gesehenen Kontrast. Drüben im Zion werden die wuchtigen Felsen von der Sonne angestrahlt. Wenn man in die richtige Richtung blickt, zeigt sich auch etwas Blaues. Wir ignorieren, dass diese Richtung nicht die richtige Richtung ist, denn das Wetter kommt von der anderen Seite. Und da, die rote Butte, schau mal, die Sonne strahlt sie an. Zu kurz, um den Auslöser zu drücken, aber Hauptsache, es brennt sich in das Gehirn ein. Fantastisch, einzigartig, ein Traum, aber bereits jetzt geht mir durch den Kopf ... who's gonna drive you home, tonight. Und noch eine Textzeile dieses Liedes wird im weiteren Verlauf eine Rolle spielen: Who's gonna pick you up, when you fall?

Es hört immer wieder auf zu regnen und wird heller und so marschieren wir weiter in ein neues Gebiet, auf einem sehr sandigen Trail. Immer wieder nehmen wir Reißaus nach links und rechts, um uns diese atemberaubende Landschaft hier oben auf dem Canaan Mountain anzusehen. Wir überqueren ein Felsplateau mit Millionen von Moquis, ein kleiner Vulkan scheint sie in ferner Vergangenheit als eine Art letztes Zucken auf die Erde gespukt zu haben. Feuerrote Butten stehen Wache und die Zeichnung des Felsens gibt nur eine Richtung vor: weiter dem Gipfel entgegen!



Wir sind auf unserem "Top of Canaan" und werden von einem gigantischen Rundblick über die Zion Massive und diese wunderschöne Gegend belohnt. Nun sind wir 4,5 Meilen unterwegs, als sich links plötzlich ein riesiges Gap in den Vermilion Cliffs auftut. Ein weiterer Zugang zum Berg? Mitnichten, denn als wir am Abgrund stehen wird klar, dass nur ein technischer Hike mit Seil und Haken hier rauf führen würde.



Nach gut 5 Meilen treffen wir auf ein Hochtal, das rot und weiß die Farben der Wave annimmt. Vermilion Cliffs, sag ich doch! Der Blick ist frei nach Nordosten zu den Lower Mountains. Es ist wunderschön hier. Wir beschließen abzusteigen, um auf der gegenüberliegenden Seite ein paar Einschnitte zu erkunden. Diese Gaps führen zu der Sawmill Spring. Neue Perspektiven auf blankem Fels sind die Belohnung. Leider verkürzen sich nun die Frequenzen bis es wieder regnet und nach gut 6 Meilen beschließen wir vernünftig zu werden.





Jetzt kommt ein Teil, der mich zu dem bekannten Spruch hinreißt: Kinder, bitte nicht nachmachen! Der Regen peitscht nun permanent waagerecht von rechts auf unsere Körper. Na klar sind wir durch entsprechende Kleidung gut geschützt, aber mit zwei trockenen Augen nach vorne zu sehen ist nicht mehr möglich. Obwohl es schon spät ist, müssen wir einen Unterschlupf finden, um das Dramatischste abzuwarten. Eine riesige Butte steht bereit, wir zittern im Windschatten dieses Felsens und selbst die Zigarette tut sich schwer, die Glut aufrecht zu erhalten. Wir kommen schon runter, keine Frage, aber unten im Water Canyon ist es notwendig, knapp am Wasser vorbei zu gehen. Und diese Stelle macht mir Sorge, denn die Wassermassen könnten dazu führen, dass eine Passage unmöglich wird. Der Lehmboden vom Trailhead bis zu Teer. Meine Herren, das könnte ein weiteres Problem werden. Ruhe bewahren und ein Problem nach dem anderen lösen. Es hilft nichts, wir müssen weiter.

Die Schönheit der White Domes ist ob der Sorgen etwas sehr verblasst, aber der Fels ist griffig und führt uns weiter ins Tal. Dort wo er endet und vom Sand am oberen Water Canyon zugedeckt wird, ist die Navigation etwas "tricky", um den Einstieg in die Wand zu finden. Vorausschauend blicke ich auf das nasse GPS und plötzlich passiert's. Unvermittelt zieht es mir die Beine weg und mein Körper befindet sich in einer horizontalen Lage. Scheiß Erdanziehung, bummmmmm! Gute 70 Kilo plus 10 Kilo Rucksack finden ohne Umweg den harten Fels. Momentan kenne ich mich nicht mehr aus, die Orientierung ist weg. Erst ein paar bekannte Bilder, hier meine ich meine Frau, führen mich zurück in die Realität. Stück für Stück wird der Körper gecheckt. Der linke Arm und die linke Hüfte wurden am meisten in Mitleidenschaft gezogen. Aber das Prüfprogramm meldet, dass offensichtlich nichts gebrochen ist. Es gibt ja den Witz, in dem sich der Luftballon einem Kaktus nähert und und voller Freude schreit: Uiii, ein Katuschschssssssssss... Ja, so ein abgestorbenes Teil lag da am Boden. Uiiii, ein Kaktus konnte ich aber nicht schreien, denn ich habe in nicht gesehen. Näher in Augenschein nehmen will ich mir das Drama auch nicht, - keine Zeit. Beim Abstieg merke ich aber schon, dass der Arm nicht nur von außen nass wird.

Als wir am Brotzeitfelsen vorbei sind und in der Wand absteigen, erwartet uns eine noch dunklere Wolkenwand und wir beeilen uns, nach unten zu kommen. Stellenweise ist der Trail schon schmierig, aber viel Sand sorgt immer wieder für glückliches wandern. Die Wasserstelle im Canyon ist Gott sei Dank, jedoch nassen Fußes wunderbar zu passieren und jetzt ist nur noch die Frage, wie wir das Auto retten. Einen kleinen Vorgeschmack bekommen wir ziemlich am Ende des Trails, den wir nach 8 Stunden und 14 Minuten erreichen. Schlittschuhfahren in den Bergen, wie schön.

Auf dem Parkplatz steht tatsächlich ein PKW, das gibt Mut. Dass die Leute drin sitzen und offensichtlich auf eine trockene Straße warten, zerstört diesen umgehend. Probleme müssen gelöst werden, also auf. Als ich meine Regenjacke ausziehe, erneut ein zumindest visueller Schock: 5 cm oberhalb und 10 cm unterhalb hat meine Wärmejacke von grau auf rot umgeschaltet. Egal, das Fahrzeug muss auf den Teer. Volle Fahrt voraus!

Am See entlang verläuft die Straße ziemlich eben, alles ohne Probleme, aber hinten spritzen die dunkelroten Lehmbatzen von den Pneus. Der Unterboden prasselt bereits. Dann kommen die tiefen Rillen, die keiner nehmen will, aber das umliegende Gelände ist ziemlich schräg. Die ersten 10 Meter funktionieren und dann will der Yukon eigenständig auf den tiefsten Punkt der Dirtroad. Ok, Rillenfahrt, nun aber Gas, denn ansonsten stecken wir hier fest. Es geht noch voran, aber irgendwie wird der Kasten immer langsamer. Ich versuche aus den Rillen zu kommen, reflexartig schlage ich den Lenker ein, aber es geht nach wie vor gerade aus. Wird diese Fahrt zum Albtraum?

Nach einer gefühlten Ewigkeit entkommt der Yukon den Rillen, aber das war ein Fehler, denn so unvermittelt, wie er vorne raus kommt, dreht es ihn hinten in die andere Richtung. Kleiner Touch der Frontpartie am hier sandigen Abhang und das Fahrzeug steht. Das will jeder vermeiden, aber mit ein bisschen hin und her sind wir erleichtert, als wir wieder in der Spur sind. Der Rest ist hoffen und bangen und wir haben uns noch nie so sehr auf Zivilisation gefreut, als jetzt. Gas rein, der Mist muss aus dem Profil. Und irgendwann hört das Prasseln am Boden auf und wir sind ziemlich froh darüber. Stille!

Wir befinden uns jetzt 1195 West Utah Avenue Hildale, UT 84784. Der Parkplatz des Subway scheint für Notoperationen wie geeignet. Ob denen ihr Sandwich noch besser geschmeckt hat, als ich mit freiem Oberkörper auf dem Parkplatz des Subway stehe und Monika unser Notfallset auspackt, um mich zu verbinden? Glaube ich nicht, ist mir auch wurscht, der Druckverband war aber nötig! Monika diagnostiziert, dass keine der drei Fleischwunden genäht werden muss. Also, alles ist gut!

Die Car Wash hatte leider zu, dann nur noch zum Subway und Ende des schönen, jedoch sehr turbulenten Tages. Das Leben ist ein Abenteuer oder gar nichts!