Tag 16: 02.09.2011: Bryce Canyon, Fairyland Trail

Tag 16: Freitag, 02.09.2011:

Robert und ich stehen um 5:45h auf, weil wir zum Sunrise Point laufen und den Sonnenaufgang anschauen wollen. Die Jungs schlafen noch tief und fest, für alle Fälle wissen sie Bescheid, wo wir sind. Aber wir rechnen nicht damit, dass sie schon wach sind, wenn wir wieder zurückkommen.

Wir ziehen so ziemlich alle verfügbaren Schichten an Kleidung an, die wir dabei haben, denn es ist noch sehr kalt.

Dann machen wir uns auf den Weg Richtung Rim, nach meinem gestrigen Abendspaziergang weiß ich genau, wo es langgeht. Obwohl es heute früh noch dunkler ist, als es gestern bei meiner Ankunft auf dem Campground war.

Wir laufen durch die Dunkelheit und auf meine Frage, ob es hier wilde Tiere gibt, antwortet Robert schlicht: "Ja." Herzlichen Dank, wie ihr euch vorstellen könnt, wollte ich genau diese Antwort hören!
Was immer es hier gibt, von uns will es nichts.

So ganz allmählich fängt der Himmel an, sich etwas heller zu färben. Wir machen schon unterwegs ein paar Bilder.





Unterhalb des Sunrise Point suchen wir uns ein schönes einsames Plätzchen. Am Viewpoint oben ist schon ziemlich viel los.
Wir fotografieren mal hier, mal da und mittlerweile füllt sich auch unser einsames Plätzchen mit Menschen.

Dann geht das Schauspiel los! Die Felsen färben sich binnen – ja, fast Sekunden - in den tollsten Rottönen. Als würde jemand den Dimmer hochdrehen.





Nach einer knappen Viertelstunde ist es bereits schon wieder zu hell und der Reiz des Sonnenaufgangs ist verflogen.

Wir gehen zum Wohnmobil zurück und ich lege mich mitsamt meiner warmen Fleecejacke erst mal unter die Decke. Ich bin ziemlich durchgefroren. Jeremie wacht auf und leistet mir Gesellschaft. Er beklagt sich aber schnell über meine kalten Hände, weil er selbst auch friert. Im Wohnmobil haben wir 15 Grad. Nicht gerade schnuckelig. Aufstehen mag ich gerade gar nicht, weil es unter der Decke zumindest ansatzweise warm ist.
Wir könnten natürlich die Heizung anmachen, aber das vermeiden wir, wenn irgendwie möglich, um andere Campinggäste nicht mit dem Lärm des Generators zu belästigen. (Mittlerweile habe ich mir sagen lassen, dass der Generator für die Heizung definitiv nicht gebraucht wird, weil das wunderbar mit der Batterie funktioniert, hätten wir das mal früher gewusst...).
Aber Robert opfert sich und macht das Frühstück. Er kocht Wasser und heizt schon mal den Backofen ein, damit wir Brötchen aufbacken können. Schnell wird es ein bisschen wärmer.

Wir trauen uns dann doch mal aus dem Bett und setzen uns an den Frühstückstisch. Aber nicht ohne unsere Mützen! Ein lustiges Bild! Die ganze Familie frühstückt mit Wollmütze.

Lange rumtrödeln kommt heute nicht in Frage, denn wir haben uns den Fairyland Trail ausgesucht, und der ist nicht nur ein kurzer Spaziergang. Beim Visitor Center wird er mit anspruchsvoll und anstrengend beschrieben, aber wir haben schon festgestellt, dass die Amerikaner bei solchen Beschreibungen eher übertrieben formulieren.
Das schreckt uns jedenfalls nicht ab.

Wir machen ein paar Vesperbrötchen und packen reichlich Wasser in unsere Rucksäcke.
Weil es noch beim Frühstück so kalt war, lasse ich die Sonnencreme großzügigerweise im RV liegen. Nun ja, am Ende des Tages werden wir sehen, wie sich das ausgewirkt hat...

Frohen Mutes und mit großer Motivation starten wir unseren Trail. Die Sonne scheint und es wird schon wieder merklich wärmer, wie schön!





Es geht ein bisschen runter in den Canyon, wieder leicht bergauf, um den einen Felsen rum, wieder runter...



...wir sehen interessante Strukturen an Baumstämmen...



...bewundern die fantastischen Kompositionen der Natur...



Wir machen die erste Vesperpause, denn hungrige Kinder sind schwer bei Laune zu halten.

Trinken geht immer zwischendurch, aber für´s Essen setzen wir uns gemütlich auf die Steine oder Holzstämme.

Auf die Frage, wie weit es denn noch ist, wissen Robert und ich natürlich keine brauchbare Antwort. Die ersten zwei Stunden laufen aber alle tapfer mit und haben Spaß.





...Musik machen mit Grashalmen...



Mittlerweile brennt die Sonne gewohnt mächtig vom Himmel. Wie blöd, dass die Sonnencreme im RV liegt.
Jeremie, der die hellste Haut von allen hat, zeigt schon erste rote Stellen an Gesicht, Armen und Nacken. Ich drehe je nach Laufrichtung die Schildmütze so hin, dass er möglichst viel Schatten abbekommt, aber das ist nur unzureichend, so ein Mist!

Grandiose Natur in jedem Winkel, nach jeder Kurve, immer wieder neue Ausblicke, die faszinieren.







Wir laufen und laufen und laufen. Trotz nochmaliger Vesperpause können wir nicht verhindern, dass nach 3 Stunden die Stimmung kippt, vor allem bei Jonas. Er wird lustlos, weiß aber genau, dass er doch keine andere Wahl hat, als weiter zu laufen und akzeptiert es.



Was das Gemeine an diesem Trail ist: Wir haben immer wieder das Gefühl, jetzt sind wir gleich wieder oben am Rim, es sieht alles so aus, als ob. Aber es ist nicht so. Wir laufen wieder um einen Felsen herum, es geht nochmals runter, dann wieder eine Kurve, wieder hoch...



Es ist ein wunderschöner Trail, der außer durch die Länge nicht besonders anspruchsvoll zu gehen ist, aber wir hätten einfach vorher besser Bescheid wissen sollen, was uns erwartet. Es zieht sich einfach ziemlich, das ist vor allem für die Kinder nicht so schön.
Mittlerweile sind ihnen die tollen Hoodoos völlig wurscht...wer könnte es übel nehmen?



Endlich, nach 4 ½ Stunden sind wir wieder oben am Rim und haben den Fairyland Point erreicht.



Unsere Kinder meinen beide, dass sie jetzt nur noch in einen Bus einsteigen müssen, der sie zum Campground bringt...

Aber... es sind immer noch 3 Kilometer bis dort hin und es fährt kein Shuttle hier.

Das sagen wir unseren Kinder aber erst.....jetzt.

Nun ja, es dauert etwa 10 Minuten, dann ist der Ärger und die Enttäuschung darüber einigermaßen verflogen, aber sie tun mir beide echt leid.
Wir wandern weiter, am Rim entlang.
Ich bewundere, wie Jeremie die langen Strecken durchhält. Er muss doch fast die doppelte Anzahl Schritte machen wie wir Großen! Respekt! Außerdem sammelt er ja nebenher noch Müll ein, weil er doch so gern ein Junior Ranger Abzeichen bekommen möchte!

Irgendwann ist er dann aber doch so fertig, dass ich ihn eine Weile auf den Schultern trage.
Und auch der Rimtrail zieht sich und zieht sich. Mittlerweile bin auch ich ziemlich geschafft und Jeremie darf bei Robert auf die Schultern.



Jonas hat absolut keine Lust mehr, und ich kann es voll verstehen. Ich versuche ihm irgendwie Mut zu machen, ihn zu motivieren...nichts hilft.
Wie sind wir alle froh, als wir nach 5 ½ Stunden Wandern endlich wieder unser Wohnmobil erreichen!

Der Plan, dass Jeremie vor der Teilnahme am Ranger Vortrag noch ein kleines Schläfchen macht, geht nicht auf. Es ist zeitlich einfach zu knapp. Zu lange hat unser Trail heute gedauert.
Mein Vorschlag, beim Visitor Center eine Unterschrift des Rangers für das Ranger Programm zu holen, scheitert an Jeremie´s Willen. Nein, den Ranger Vortrag schafft er auf jeden Fall noch!

Wir stärken uns mit Obst, dann fahren wir noch schnell zur Dumpingstation. Zurück am Campground, macht sich Robert mit Jeremie dann auch schon wieder auf den Weg.

Jonas und ich wollen noch zum General Store. Den können wir gut zu Fuß erreichen, aber Jonas streikt, er will nicht mehr laufen. Also warten wir zuerst beim Visitor Center 25 Minuten, bis überhaupt ein Shuttle kommt (sollten die vor 5 p.m. nicht alle 10 Minuten fahren?), dann fahren wir noch ein gefühlte Ewigkeit durch den NP, bis wir endlich beim Sunrise Point aussteigen können und die restlichen Meter zum General Store laufen.

Im Laden gibt es richtige Laugenbrezeln, Jonas lechzt und bekommt natürlich eine, klar!

Was das Abendessen angeht, entspricht das Angebot im Store nicht so unseren Vorstellungen für heute. Also kaufen wir nur ein paar kleinere Lebensmittelvorräte und eine tolle rote Nalgene-Trinkflasche. Eine grasgrüne Trinkflasche haben wir ja schon in Durango in einem Sportgeschäft erstanden. Mit Trinkflaschen jedenfalls sind wir jetzt bestens bestückt.

Ich kann Jonas überreden, zu Fuß zum Campground zurückzugehen und siehe da: Es dauert nicht länger als 10 Minuten!

Robert und Jeremie kommen erst kurz vor 19 Uhr zurück, dann gehen wir gleich zum Visitor Center, weil Jeremie nun noch seinen Eid leisten muss. Meine Güte, ist das Kind aufgeregt! In akkuratestem Englisch spricht er nach, was die Rangerin vorsagt. Ich bin echt platt!



...as a Bryce Canyon junior ranger I promise to protect...

Nebenher versuche ich noch alles zu übersetzen, damit er auch kapiert, was er da sagt, aber das bekommt er gar nicht mit. Er ist so auf das, was die Rangerin sagt, fixiert.

Bevor Jeremie allerdings den Eid leistet, sagt die Rangerin zu ihm:"I have to tell you what. You have to use sunscreen!"

Uuuppps...welche Mutter würde da nicht vor Scham fast im Boden versinken wollen? Und blöde Entschuldigungen:"Äh, heute morgen war so kalt, wir hätten nicht gedacht, dass es wieder so heiß wird...blablabla... " , helfen da auch nicht wirklich.
Ist mir das peinlich!
Nun ja, die Sonnencreme werde ich künftig jedenfalls nicht mehr im RV vergessen.

Jeremie ist superstolz auf sein Abzeichen, aber natürlich ziemlich erschöpft.

Und hier sieht man jetzt deutlich, was so eine im Wohnmobil vergessene Sonnencreme alles anrichten kann...



Ich muss hinzufügen, dass es glücklicherweise "nur" eine schnell vorübergehende Hautreizung war (auch wenn es schlimmer aussieht). Jeremie hat sich nicht über schmerzende Arme oder Wangen beklagt...puuhhh...Gott sei Dank!

Ich koche nur noch ganz schnell aus Deutschland mitgebrachte Miracoli, dann gibt’s eine Katzenwäsche für den Kurzen und es geht schnellstens ab ins Körbchen.

Nach dem heutigen Tag kann ich gar nicht beschreiben, wie stolz ich auf meine Kinder bin! Sie haben den langen Trail so tapfer gemeistert. Auch wenn es zwischendurch mal was zu Murren gab, wofür sie mein vollstes Verständnis haben!

Jungs, ihr seid spitze!!


Campground: North Campground

Gefahrene Meilen: 1 (nur zum Dumpen...)